Fachstellungnahme zur Krebsdiskussion durch Mundspülungen
Ist Mundspülung krebserregend?
Tübingen, 18. Juli 2024 – In den letzten Wochen und Monaten hat eine breite Diskussion in den öffentlichen Medien zu einer erheblichen Verunsicherung der Verbraucher geführt. Viele Menschen entsorgen aus Angst vor Mundhöhlenkrebs, Bluthochdruck oder Diabetes ihre Mundspülungen. Diese Bedenken beruhen jedoch auf Missverständnissen und einer verzerrten Darstellung wissenschaftlicher Erkenntnisse.Belgische Wissenschaftler veröffentlichten vor kurzem eine Studie1 in der sie zeigten, dass regelmäßige alkoholhaltige Mundspülungen das orale Mikrobiom verändern können. Die Forscher entdeckten, dass zwei Bakterienarten nach regelmäßiger Anwendung mit alkoholischer Mundspülung im Mikrobiom der Mundhöhle vermehrt vorkamen: Fusobacterium nucleatum und Streptococcus anginosus. Diese Bakterien könnten theoretisch das Risiko für bestimmte Krebsarten erhöhen, etwa für Speiseröhren- und Darmkrebs. Allerdings wurde dies bisher noch nicht nachgewiesen.
Chlorhexidin-haltige Mundspülungen und Bluthochdruck
Auch Chlorhexidin-haltige Mundspülungen stehen in der Kritik, da eine regelmäßige Anwendung bereits nach kurzer Zeit Bluthochdruck verursachen könnte. Chlorhexidin wirkt antibakteriell und entspricht in regelmäßiger, dauerhafter Anwendung nicht mehr den aktuellen Anforderungen. Die Blutdruckerhöhung hängt zusammen mit bestimmten, natürlichen Bakterien auf der Zunge, welche das Nitrat, das wir über Obst und Gemüse aufnehmen, in Nitrit umwandeln, welches dann wiederum in Stickstoffmonoxid umgewandelt wird. Der Stoff hilft dabei, den Blutdruck zu regulieren. Der Mensch hat – wie viele andere Säugetiere – im Lauf seiner Entwicklung die Aufgabe der Nitritherstellung zum Teil an die im Mund lebenden Bakterien ausgelagert. Wir verlassen uns also stark auf unser orales Mikrobiom. Antiseptische Mundspülungen können nützliche Mikroben im Mund vernichten und diesen wichtigen Prozess stören. Eine Studie2 in England aus dem Jahr 2020 hat gezeigt, dass sich das Speichelmikrobiom von gesunden Menschen, die ihren Mund mit Chlorhexidin-Lösungen spülten, erheblich veränderte. Der Säuregehalt in ihrem Mund erhöhte sich, ihrem Körper stand weniger Nitrit zur Verfügung, und sie tendierten zu einem höheren Blutdruck.Moderne Mundspülungen wirken probiotisch
Moderne Mundspülungen sind ein wichtiges präventives Instrument, um eine natürliche, gesunde Mundflora durch probiotische Wirkung wiederherzustellen und zu stabilisieren. Dies gelingt am besten durch natürliche Präbiotika (Ballaststoffe oder Aminosäuren) und regulierende Postbiotika (Informationsträger z.B. von inaktivierten Milchsäurebakterien).Die gesundheitsfördernden Bakterien im Mund erlangen dadurch Wachstumsvorteile, insbesondere diejenigen, die effektiv durch Botenstoffe zur Blutdruck-Senkung beitragen. Auch die orale Immunabwehr wird durch die unterstützende Förderung eines gesunden oralen Mikrobioms stabilisiert.
Hyaluronsäure in Mundspülungen
Darüber hinaus können Mundspülungen durch Hyaluronsäure die Regeneration der Mundschleimhaut günstig beeinflussen, diese angenehm feucht halten und auch zur Prävention von Mundgeruch beitragen.Fazit: Mundspülungen sind und bleiben ein unverzichtbares Instrument der Mundhygiene
Mundspülungen sind neben der Zahnpasta ein unverzichtbares Instrument der häuslichen Mundhygiene. Sie sind hoch effektiv bis hin zur Begleitung einer Bluthochdruck-Therapie. Allerdings ist ein Paradigmenwechsel von den bisherigen antibakteriellen, etwa auch alkoholhaltigen Präparaten zu solchen mit probiotischer Wirkung erforderlich.LITERATUR:
1 J G E Laumen, C Van Dijck et.al. J Med Microbiol. 2024 Jun;73(6). The effect of daily usage of Listerine Cool Mint mouthwash on the oropharyngeal microbiome: a substudy of the PReGo trial2 Raul Bescos, Ann Ashworth, et.al. Effects of Chlorhexidine mouthwash on the oral microbiome Nature Scientific Reports volume 10, Article number: 5254 (2020)
Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Rainer Hahn
Leiter der Tübingen Dentalschool GmbH
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